Das Buch der klassischen Haiku » Review

Wie schreibt man über ein Buch, das im Grunde nichts weiter enthält als „Gedicht-Fetzen“, die für uns Europäer oftmals überhaupt keinen Sinn ergeben? Um ein solches Buch geht es in dieser Review. Allerdings geht es nicht um irgendwelche „Gedicht-Fetzen“, wie eingangs erwähnt, sondern um japanische Dichtkunst, die genau so minimalistisch ist wie vieles in Japan. Es handelt sich um „Das Buch der klassischen Haiku“, welches bei „Philipp Reclam jun. Verlag“ im Vertrieb ist.


Irgendwie gehört „Amazon“ ja mittlerweile zu unserem Leben wie Wasser und Brot. So erschreckend das auch sein mag, es hat auch seine Vorzüge. Gäbe es Amazon nicht, dann gäbe es auch keine Eigenproduktionen wie „James May: Unser Mann in Japan“, die einfach anders sind als die oftmals trockenen Dokumentationen, die wir ja nun alle zu genüge kennen. In dieser Dokumentation reist James May durch Japan, erlebt die normale japanische Kultur und erzählt dem Zuschauer, was er dabei so denkt. Hört sich vielleicht unspektakulär an, ist es aber nicht. Wir fanden die Dokumentation super und haben viel gelacht, weil James May einfach so herrlich rüberkommt.


Durch James May und diese Serie habe ich das erste Mal von „Haiku“ gehört, einer besonderen Art den Moment durch Poesie einzufangen. Am Anfang wirkte das Ganze ziemlich befremdlich, da wir als Europäer diese Art der Dichtung nicht gewohnt sind, geschweige denn überhaupt kennen. Doch im Laufe der Folgen wurde ich immer neugieriger. Ich wollte einfach mehr über die echten Haiku wissen und begab mich im Internet auf die Suche. „Das Buch der klassischen Haiku“ war das Werk, was mich am meisten interessiert hat.


An dieser Stelle möchte ich ein Haiku von Onitsra zitieren, was wörtlich und auch in der Schreibweise genau so im Buch geschrieben steht:


Am Neujahrsmorgen

Von alten Zeiten durchweht

Der Wind der Kiefern.


Was ist eigentlich ein Haiku? Das zu erklären, ist nicht gerade einfach. Ich will es dennoch auf ganz einfache Weise versuchen.


Das (oder der) Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die heute weltweit verbreitet ist. Sie gilt als die kürzeste Gedichtform überhaupt. Diese Form der Kunst entstand wohl mehr aus der Not heraus, da die alte Dichtkunst, die damals in Japan herrschte, einfach ausgelaugt war. Denn Dichtkunst wurde in der alten Zeit groß geschrieben. Zu dichten war Gesellschaftsspiel, Wettbewerb oder geselliger Zeitvertreib. Einer machte den Anfang und die anderen dichteten etwas dazu, immer basierend auf der vorherigen Strophe. So entstanden oftmals ganze Kettengedichte. Irgendwann war dann einfach alles gesagt und es machte keinen Spaß mehr. Das war die Geburtsstunde der Haiku.


In dem mir vorliegenden Buch wurden einige der schönsten japanischen Haiku in der deutschen Sprache zusammengefasst, damit wir in den Genuss dieser außergewöhnlichen Dichtkunst kommen. Und außergewöhnlichen kann man wörtlich nehmen, da sich einige Dreizeiler durch ihre Kürze dem Leser nicht wirklich beim ersten Lesen erschließen. Andere Dreizeiler sind wiederum logisch. Das liegt einfach daran, dass Haiku einen Moment eingefangen haben / einfangen, den nur der Dichter erlebt hat. Haiku regen demzufolge zum Nachdenken an. Die Frage, die sich uns als Leser stellt, ist, was hat der Dichter in diesem Moment gesehen oder erlebt? Und schon befinden wir uns mitten in der klassischen Interpretation, die wir alle aus dem Literaturunterricht kennen.


Ich habe zwei Beispiele rausgesucht! Das eine lässt viel Spielraum zur Interpretation, da man nicht wirklich weiß, was dem Autor durch den Kopf ging. Das zweite hingegen ist leicht zu verstehen.


Am Neujahrsmorgen

Sind mir dir Vorzeitsagen

Sogar erschienen.


… von Sokan


So schlicht und einfach

Fand sich der Frühling heute ein:

Als Blau des Himmels!


… von Issa


Beim ersten Haiku frage ich mich, was ist dem Verfasser durch den Kopf gegangen? Geht es um die Vergangenheit? Ich würde sagen, dass es so ist, auf Grund des Wortes Vorzeitsagen. Nur was meint er damit? Spricht er von Erinnerungen?


Der zweite Haiku erklärt sich im Grund von ganz allein. An diesem Tag ist der Frühling erwacht und der Himmel war blau.


Ich finde der Haiku hat irgendwie etwas. Es macht richtig Spaß selbige zu lesen und vor allem darüber nachzudenken. Seit ich James May gesehen und dieses Buch gelesen habe, erwische ich mich selbst beim Dichten eines Haiku, wenn ich draußen unterwegs bin. Die erwachende Natur verleitet einfach dazu.


Ich möchte diese Review mit einem Haiku von Issa enden lassen, welches sich ebenfalls in dem Buch befindet und vortrefflich zu unser Zeit passt.


Die Welt voll Leid, ach,

Selbst wenn die Kirschen blühen -

Doch wenn schon, denn schon.


In diesem Sinne, kommt gut durch die turbulente Zeit! Denkt immer daran, dass es nicht ewig regnen kann. Es wird auch wieder bessere Zeiten geben.


Hier geht es zur „Leseprobe von: Das Buch der klassischen Haiku


Quelle: „Philipp Reclam jun. Verlag


Produktdetails
Titel Das Buch der klassischen Haiku
Genres Dichtungen
Autor Jan Ulenbrook
Einband Hardcover
Altersempfehlung ab 6 Jahre
Seitenanzahl 319
Sprache Deutsch
ISBN 978-3-15-011175-8
Verlag Philipp Reclam jun. Verlag
Kaufmöglichkeiten amazon / Thalia / Philipp Reclam jun. Verlag


Wir möchten uns auf diesem Wege herzlich beim Verlag für das Rezensionsexemplar und Bildmaterial bedanken.

Wir interessieren uns für Qualitätsjournalismus

Als Journalismus bezeichnen wir von Animeszene.de unsere publizistische Arbeit, mit dem Ziel dich mit relevanten Informationen zum Themengebiet Anime und Manga zu versorgen, insbesondere Reviews, die unsere ehrliche Meinung widerspiegeln. Das Team hat es sich zur Aufgabe gemacht, auserlesene und sachliche Artikel für dich zu veröffentlichen, hinter denen wir auch stehen und die wir selbst als interessant erachten. Wir schreiben nicht um des Schreibens willen, sondern weil wir Freude daran haben.

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!