Das ABC der Videospiele » Review

Auch, wenn manche Menschen immer noch ihre Vorbehalte gegenüber dem Medium Videospiele haben, werden selbige in der Gesellschaft immer mehr als eigene Kunstform und zu einem Teil auch als potenzielles Kulturgut akzeptiert. Ich selbst beschäftige mich bereits seit meiner jüngsten Kindheit leidenschaftlich mit dem Thema. Und damit meine ich nicht nur das Zocken selbst, sondern (neben eigenen kleinen Versuchen der „Spieleentwicklung“) auch entsprechende Lektüre, egal ob es um die guten, alten Zeiten oder die neuesten technischen Wunderwerke geht. Als mir also Stefan kürzlich von einem Buch mit dem griffigen Titel »Das ABC der Videospiele« erzählte, war ich sofort mehr als nur ein wenig interessiert. Es erscheint beim »LAPPAN Verlag« (CARLSEN) und der Autor ist kein Geringerer als Gregor Kartsios, den wohl viele Gaming-Interessierte von Rocket Beans TV kennen. Einen wirklich aussagekräftigen Abriss über mehr als 50 Jahre Videospiel-Geschichte in ein kompaktes Buch zu pressen, ist sicher kein leichtes Unterfangen, doch hier ist nun das schmucke Ergebnis.


Aber was genau kann man von diesem Werk erwarten?


Wie der Titel vermuten lässt, ist der Inhalt alphabetisch geordnet, es geht also los bei A wie Atari, geht irgendwann über P wie Pokémon oder PlayStation und endet schließlich bei Z wie Zelda. Obgleich neuere Konsolen wie etwa die Nintendo Switch hier kurz Erwähnung finden, so fokussiert sich das Buch doch ganz klar eher auf den Retro-Bereich, also wie alles anfing. Was hat Nintendo gemacht, bevor es zu einer der führenden Marken in Sachen Videospiele wurde? Was genau hat es mit dem sogenannten Konami-Code auf sich? Und was für Spiele wurden beispielsweise in den 80ern gezockt? Einige der Computer, Konsolen und sogar Genres (selbst ein Freund, der sich gut mit der Materie auskennt, musste unter anderem erst fragen, was für eine Art Spiel FMVs sind) kennt der eine oder andere heute vielleicht nicht mal mehr vom Hörensagen, es sei denn man beschäftigt sich gezielt damit. Während bei vielen Begriffe wie Atari 2600, Commodore 64 und Amiga ein nostalgisches Kribbeln im Kopf verursachen, schwelgen andere beim Sega Master System oder dem Nintendo Entertainment System in schönen (und vielleicht auch manchmal frustrierenden) Erinnerungen. Ob man nun schon ganz am Anfang mit dabei war, erst wie ich mit Gameboy Color, SNES und später der ersten PlayStation eingestiegen ist oder gar erst in jüngster Vergangenheit selbst zum ersten Mal Pixel und Polygone über einen Bildschirm manövriert hat, Zocker, die es genauer wissen wollen, sind hier an der richtigen Adresse, um sich in Sachen Retro-Gaming weiterzubilden. Der Videospiel-Crash 1983 (und in dem Zusammenhang auch die Sache mit diesem einen ganz „besonderen“ Spiel mit E.T.-Lizenz), die weltweit erste Heimkonsole Magnavox Odyssey (übrigens ersonnen von einem Deutschen), die niemals vollendete, gemeinsame Konsole von Sony und Nintendo (Ja, ihr lest richtig) und viele weitere Meilensteine der Videospiel-Geschichte werden hier in reichlich bebilderten Kapiteln unter die Lupe genommen. Sicher, einen Anspruch auf Vollständigkeit stellt hier niemand, aber ohne ein ganzes Regal mit mehreren Publikationen zu befüllen wäre dies wohl auch nicht möglich. Des Weiteren kann man wohl sagen, dass so ziemlich jeder Fan des Mediums hier die Prioritäten wohl ein wenig anders setzen würde. In Anbetracht dessen halte ich die breit gefächerte Auswahl an Themen und Informationen, welche hier zweifellos mit Leidenschaft und Know-how zusammen getragen wurden, für ausgesprochen gut gewählt.


Auch wenn ich dieses Buch wirklich aufmerksam und interessiert gelesen habe (oder vielleicht gerade deswegen) fiel es mir wirklich schwer nicht manchmal gedanklich lange Monologe über verschiedene Aspekte des Geschriebenen abzuhalten oder gar selbst in Erinnerungen zu schwelgen. So dachte ich zum Beispiel an ein Weihnachtsfest in den frühen 2000er-Jahren, als ich meine Geschenke auspackte und meine erste eigene Spielekonsole, einen lila-transparenten Nintendo Gameboy Color plötzlich in der Hand hielt. Ich war sofort erpicht, darauf das beiliegende Spiel auszuprobieren, allerdings hatte ich nur knapp fünf Minuten Spaß, bevor der Frust kam. Für dieses Spiel waren Lesekenntnisse erforderlich, und die hatte ich damals noch nicht. So fand ich mich schnell in einer Endlosschleife wieder, die sich mir erst Jahre später erschloss. Doch das Spiel wurde zeitnah gegen Game & Watch Gallery 3 ausgetauscht, eine Sammlung älterer Spiele auf gleichnamigen LCD-Konsolen, und schon standen Tür und Tor offen für eine langjährige Passion. Ab da habe ich mir zu Weihnachten und Geburtstagen immer ein Spiel (oder in seltenen Fällen eine Konsole) gewünscht, bis meine Mama ihren Standard-Satz „Was wünschst du dir?“ mit dem Zusatz „… außer Videospielen.“ versah.


Ich musste auch daran denken, als ich vor vielen Jahren beim ältesten Sohn meiner Patentante zum ersten Mal die PlayStation 2 in Aktion erlebte. Ich saß in diesem Kinderzimmer vor dem Bildschirm und wusste gar nicht, wie mir geschah, beinahe wäre mir wohl die Kinnlade heruntergeklappt. Ein besonderes Highlight waren für mich die animierten Filmsequenzen und jedes Mal, wenn eine im Spiel erreicht war, hielt ich ehrfürchtig inne und wagte es nicht einen Muskel zu rühren, aus Angst ich könnte mit einem versehentlichen Tastendruck etwas überspringen. Mittlerweile habe ich mich an derartigen Luxus gewöhnt, doch manchmal lege ich auch heute noch bewusst den Controller weg, um mich vollends auf die Sequenzen zu konzentrieren.


Seien wir ehrlich, wenn ich ein Mal anfange von meinen unzähligen Gaming-Anekdoten zu berichten, von Diskussionen, dass Spiele „für Kinder“ seien bis hin zu frustrierenden Boss-Kämpfen, bei denen ich vor Frust beinahe in einen Controller gebissen hätte, dann könnte ich genauso gut ein eigenes Buch schreiben. Nur eine möchte ich hier an dieser Stelle noch kurz erwähnen. Als ich noch ein Kind war, rannte ich ständig, auch drinnen, mit irgendeiner Tasche durch die Gegend. Als ein erwachsener Bekannter fragte, was da drin sei, nannte ich ihm einige Dinge, insbesondere eben meinen Gameboy und einige Spiele. Er sagte zu mir „Wenn du älter bist, hast du in deiner Tasche dann Lippenstifte und ein zweites Paar High Heels oder Ähnliches.“ Nun, das ist über 10 Jahre her und meinen Gameboy habe ich tatsächlich nicht mehr in der Tasche. Dafür mal eine Nintendo Switch, mal eine PlayStation Portable … Na, wer weiß, ich schau nach weiteren 10 Jahren abermals nach dem Make-up und den Pumps.


Dieses Buch ist nicht nur unheimlich informativ, es regt auch zum Erinnern an und das allein kann, in dem Fall, eine Menge Spaß machen. Außerdem hat es mir beim Lesen immer wieder in den Fingern gejuckt, auch einige der älteren Schätze aus meiner Sammlung mal wieder auszugraben, sei es auf der ersten Xbox, meiner modifizierten Dreamcast oder gar dem Atari 2600 Jr., einer Konsole, die für meine Begriffe so alt ist, dass sie allein deswegen schon in ein Museum gehört.


Ob knackiges Jump & Run oder episches RPG, 8-Bit-Grafik oder Virtual Reality, die Welt der Videospiele ist so unendlich facettenreich, dass nahezu jede und jeder damit Spaß haben kann. Das und einiges mehr stellt Gregor Kartsios hier eindrucksvoll dar und zeigt dabei auch die unglaubliche technische Weiterentwicklung auf, welche das Medium in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat. Das einzige was in diesem Kontext noch mehr Spaß macht als das Lesen, Rückbesinnen und darüber Austauschen ist natürlich selbst Hand anlegen. Wenn ihr mich jetzt also entschuldigen würdet, ich habe ein paar Welten zu entdecken, Monster zu sammeln, Rennen zu gewinnen und Prinzessinnen zu retten.


Fazit:


Eine gelungene Zusammenfassung von mehr als 50 Jahren unglaublicher Videospielgeschichte, die in jeder Hinsicht Lust auf mehr macht. Besonders für Gaming-Nostalgiker eine klare Empfehlung.


Hier geht es zur »Leseprobe von: Das ABC der Videospiele«!


Quelle »LAPPAN Verlag (CARLSEN)«


Produktdetails
Titel Das ABC der Videospiele
Genres Literatur, Nachschlagewerk
Autor/Zeichner (m/w/d) Gregor Kartsios
Einband Hardcover
Altersempfehlung 10 Jahre
Seitenanzahl 192
Sprache Deutsch
ISBN 978-3-8303-3606-8
Verlag LAPPAN Verlag (CARLSEN)
Kaufmöglichkeiten amazon / Thalia / LAPPAN Verlag (CARLSEN)


Wir möchten uns auf diesem Wege herzlich beim Verlag für das Rezensionsexemplar und Bildmaterial bedanken.

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