Lovesickness - Liebeskranker Horror » Review

Seit „Uzumaki - Spiral into Horror“ lassen mich „Junji Ito“ und seine einzigartigen Horror-Mangas nicht mehr los. „CARLSEN“ bringt sie nach und nach auch bei uns in Deutschland heraus. Jede weitere Ankündigung weckt stets eine große Vorfreude. Mit „Lovesickness - Liebeskranker Horror“ widme ich mich nun meiner insgesamt 4. Review dieses Ausnahmeautors.


Worum es bei „Lovesickness - Liebeskranker Horror“ geht:


Zurück an den Ort aus Kindheitstagen. Oberschüler Ryusuke zieht mit seinen Eltern in die Stadt Nazumi, da der Vater dort einen neuen Job gefunden hat. Der Sohn ist anfangs nur wenig begeistert, auch wenn er hier bereits seine Kindergartenzeit verbrachte. Alles wirkt mehr oder weniger kühl und unbehaglich, zumal die Stadt außerdem ungewöhnlich oft von einer dicken Nebeldecke heimgesucht wird.


Schnell wird der gut aussehende Neuankömmling von vielen Mädchen umgarnt. Er selbst hat allerdings nur Augen für die Schulschönheit Midori, welche ihn noch von früher kennt. Tatsächlich erwidert sie seine Gefühle und die beiden werden ein glückliches Liebespaar.


Häufig begleitet sie Midori’s beste Freundin Suzue. Diese erzählt von einem Trend, der sich besonders unter den jungen Frauen in Nazumi als sehr beliebt erweist: Man stellt sich bei dichtem Nebel an eine Kreuzung und bittet den ersten vorbeikommenden Passanten um eine bestimmte Weissagung. Was vielleicht im ersten Moment wie eine harmlos naive Spielerei klingt, nimmt bald hochdramatische Ausmaße an. Eins der Mädchen wird nämlich nach erfolgter Prophezeiung tot aufgefunden. Sie beging mithilfe eines Teppichmessers Suizid.


In der Schule spricht man davon, dass es vor 8 Jahren einen fast identischen Vorfall gegeben hat. Niemand weiß dies besser als Ryusuke, denn schließlich war er derjenige, welcher seinerzeit an einer Kreuzung angesprochen wurde. Eine schwangere und verzweifelte Frau bat ihn damals um Hilfe. Sie erwartete ein Kind ihres Liebhabers. Der war allerdings nicht daran interessiert, sie dabei zu unterstützen, um die Affäre gegenüber seiner Familie geheim zuhalten. Von seinen Eltern gestresst und überfordert mit der Situation, reagierte das Kind ablehnend und sagte der Frau, ihr Herzenswunsch werde sich nicht erfüllen. Wenig später brachte sie sich um, ebenfalls durch ein Teppichmesser. Ryusuke gibt sich die Schuld an alldem.


Schließlich finden viele weitere Mädchen auf diese Weise den Tod. Es wird von einem mysteriösen, geisterhaften Jungen von gut aussehender Gestalt erzählt. Er versucht ganz bewusst das Orakel dieser armen Seelen zu sein und sie mit negativen und unerwünschten Vorhersagen in den Selbstmord zu treiben. Paradoxerweise scheinen sich fast alle Mädchen zu dem Kreuzungsjungen hingezogen zu fühlen, ja, schon fast besessen von ihm zu sein. Die Stadt Nazumi zerstört sich langsam immer mehr selbst.


Einschätzung:


Meine Vorfreude war nicht untertrieben, denn mit „Lovesickness - Liebeskranker Horror“ gelingt Junji Ito ein weiterer ganz großer Wurf im Horror-Genre. Gewohnt psychologisch tiefgründig bekommen wir mit Ryusuke einen sehr spannenden Protagonisten, der ein dunkles Geheimnis mit sich trägt. Schuldempfinden, Traumata, die Angst, einsam zu sein und sich niemandem anvertrauen zu können. All das sind Dinge, die unsere Hauptfigur nahezu pausenlos umkreisen und ihn immer weiter in den Abgrund ziehen.


Für Ito typisch erleben wir eine Geschichte von beispielloser Hoffnungslosigkeit, allerdings ist auch die nicht frei von klugen und wirklich guten Twists und nimmt unerwartete Wege, mit denen ich überhaupt nicht gerechnet habe. Suzue nimmt ebenso noch eine wichtige und überraschende Rolle in der Handlung ein. Manchmal scheinen die Grenzen zwischen Realität und Wahnvorstellung zu verschwimmen und lösen auch bei mir als Leser Unsicherheit und Schaudern aus. Das mochte ich sehr.


Natürlich kann ein Werk dieses Mangaka nicht ohne eine Prise gepflegten schwarzen Humor auskommen. Absurde Jugend-Trends werden anhand der Weissagungen in diesem Werk der Lächerlichkeit preisgegeben und wir bekommen aufgezeigt, dass sich solche Pseudo-Entscheidungshilfen als Trugschluss herausstellen, sie der eigenen Selbstbestimmung und Findungssuche letztlich nur im Weg stehen.


Erneut wird, ähnlich wie in „Tomie“ oder „Uzumaki“, Kritik an Schönheitsidealen geübt. Überdeutlich wird dies daran, dass die den Kreuzungsjungen anhimmelnden Mädchen nach der ersten Begegnung mit ihm optisch immer weiter abbauen, zusehends entstellt und verbraucht werden.


Noch eine kurze Beurteilung der als Bonus beiliegenden Kurzgeschichten:


„Das Haus der Phantomschmerzen“ und „Die Rippenfrau“ sind absolut stark und überzeugen mit gewohnt verrückt/genialen Einfällen für die Ausgangssituation der Story.


„Die seltsamen Geschwister Hikizuri“ ist soweit okay, aber insgesamt doch erschreckend langweilig und spannungsarm. Vom vielversprechenden Anfang einmal abgesehen.


„Erinnerungen an echte Scheiße“ dreht sich wortwörtlich um menschliche Exkremente. Selbst für Ito-Verhältnisse hochgradig seltsam und überhaupt nicht meins.


Fazit


Einmal mehr bekommt Junji Ito Standing Ovations von mir. „Lovesickness - Liebeskranker Horror“ ist packend, kreativ inszeniert und im positiven Sinne fast schon unangenehm zu lesen. Einzig die Kurzgeschichten enttäuschen mich zum Teil.


Hier geht es zur »Leseprobe von: Lovesickness - Liebeskranker Horror«!


Quelle »CARLSEN«


Produktdetails
Titel Lovesickness - Liebeskranker Horror
Genres Horror
Autor/Zeichner (m/w/d) Junji Ito
Einband Taschenbuch
Altersempfehlung ab 16 Jahre
Seitenanzahl 418
Serie Einzelband
Sprache Deutsch
ISBN 978-3-551-74260-5
Verlag CARLSEN
Kaufmöglichkeiten amazon / Thalia / CARLSEN


Wir möchten uns auf diesem Wege herzlich beim Verlag für das Rezensionsexemplar und Bildmaterial bedanken.

Über den Autor

Hallo mein Name ist Frank und ich bin ein humanoides Wesen vom Planeten Erde.

Neben Animes und Mangas, fühle ich mich dem Punkrock sehr verbunden und gehöre dieser Szene seit 2008 an, zocke leidenschaftlich gern, bin Fußballfan des FC Energie Cottbus, FC Sankt Pauli und vom FC Bayern München.

Filmreihen wie Star Wars, Herr der Ringe, Blade Runner und Indiana Jones nehmen einen besonderen Platz in meinem Herzen ein.

Allgemein bin ich ein begeisterter Cineast. Von 1920er Stummfilmen bis heutiger Streifen interessiert und fasziniert mich eine breite Palette an unterschiedlichsten Genres.


Politisch engagiere ich mich z.B. für die Linke, die Partei, Campact, Amnesty International oder Sea Shepherd. Ich bin Flexitarier.

Frank Profi

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