Nie wieder Minirock » Review

In unserer Gesellschaft herrscht in vielen Teilen leider immer noch die längst überholte Sichtweise des Patriarchats vor, in der Frauen gegenüber Männern benachteiligt und herabgewürdigt werden.

Die Stigmatisierung als Sexobjekt, was sich dem vermeintlich starken Geschlecht unterordnen und fügen soll, lässt immer mehr Hemmschwellen fallen. Pietätlose Sprüche, sexuelle Übergriffe, Gewalt, Stalking bis hin zu Vergewaltigungen können die schrecklichen Folgen davon sein.


altraverse“ brachte mit „Nie wieder Minirock“ nun einen Manga heraus, der sich diesen wichtigen Themen einfühlsam und authentisch annähert.


Worum es in „Nie wieder Minirock“ geht:


Das aufstrebende Popsternchen Karen Amamiya ist Leadsängerin der äußerst beliebten Idol-Gruppe Pure Club. Vom Management stets massiv unter Druck gesetzt, ist die Vermarktungsstrategie hier ganz klar „Sex Sells“: süße Mädchen, bei denen keine Bluse zu eng und kein Rock zu kurz sein kann. Ihnen droht die Entlassung, sollte jemals eine private Liebesbeziehung bekannt werden. Karen lebt dies mit hundertprozentiger Überzeugung vor: „Ein Idol gehört allen Menschen und darf darum niemanden bevorzugen oder abweisen.“


Bei einer routinemäßigen Autogrammstunde, wo die sterile, fast schon maschinenartige Begrüßungsfloskel immer und immer wieder einem Tonband gleich abgespielt wird, steht ihr plötzlich im strömenden Regen ein fanatischer, geisteskranker Fan gegenüber und verletzt sie am Arm. Während der Täter flüchtet und auch später nicht ausfindig gemacht werden kann, sorgt dieser Vorfall bei Karen für ein schweres Trauma. Sie verlässt Pure Club, schneidet sich die Haare kurz und kleidet sich betont jungenhaft, damit so etwas nie wieder passieren kann. Anschließend beginnt sie unter dem Namen Nina Kamiyama ein neues Leben in einer anderen Stadt.


Ein halbes Jahr später führt sie ein isoliertes Dasein, ohne großartig soziale Kontakte aufzubauen. Nina hat den Glauben an das Gute im Menschen verloren, sucht die Flucht nach vorn mit einem harten und emanzipierten Auftreten, will niemanden mehr emotional an sich heranlassen oder Schwächen zeigen. Damit ist sie das komplette Gegenteil der meisten ihrer Mitschülerinnen, welche offensiv ihre Weiblichkeit in Szene setzen und die schmachtenden Blicke der Jungs genießen. Besonders ausgeprägt ist das bei der reichlich naiven Miku, die das Bad in der Menge regelrecht als Lebenselixier benötigt und als Influencerin immer auf der Jagd nach Clicks und Likes ist. Nina tritt dem mit Abscheu und Ablehnung entgegen, was sie ebenso umgekehrt erhält.


Eher zufällig begegnet das traumatisierte Mädchen dem aufstrebenden Judoka Hikaru. Er unterscheidet sich sehr von den anderen, Testosteron-gesteuerten Kerlen. Hikaru ist freundlich, zuvorkommend und möchte ihr anscheinend wirklich helfen. Als sie sich erstmals seit langer Zeit wieder einem Menschen öffnet und Vertrauen schöpfen möchte, erhält die Poststelle von Pure Club einen anonymen Brief mit unbemerkt aufgenommenen Fotos von Nina darin. Ist der Täter von damals etwa wieder aufgetaucht und trachtet dem ehemaligen Idol erneut nach dem Leben?


Einschätzung:


Mangas wie dieser sorgen meiner Meinung nach für ein besonders beklemmendes Gefühl beim Leser, da sie zwar eine fiktionale Geschichte erzählen, aber trotzdem die knallharte Realität abbilden. Beim ersten Band von „Nie wieder Minirock“ hatte ich quasi die ganze Zeit einen Kloß im Hals, musste zwischendurch pausieren, und auch diese Review geht mir etwas schwerer von der Hand als gewohnt.


Ninas Schicksal, ihre daraus ergriffenen Konsequenzen und Schutzmechanismen, sind berührend und komplett nachvollziehbar. Man wünscht ihr so sehr, dass sie eines Tages wieder ein glückliches und erfülltes Leben führen kann.


Von der japanischen Idol-Szene weiß ich zwar bisher nicht so viel, ich denke aber, die hier geäußerten Kritikpunkte lassen sich auch fast 1:1 auf die Musik- und Pop-Industrie an sich anwenden. Man soll massenkompatibel sein und die Gier nach Umsatz und Popularität seitens der Manager und Plattenfirmen beraubt die jungen Mädchen jeglicher Individualität. Der Künstler wird zum Produkt, was nur noch der Vermarktung dienen soll.


Karens Zitat am Anfang der Review beweist, dass auch sie schon zu einem sich fügenden Teil des Systems geworden ist. Der Angriff auf sie verändert ihr gesamtes Weltbild und lässt sie alles hinterfragen, woran sie bislang glaubte. Hier muss man differenzieren, dass einige Personen aus dem Umfeld von Pure Club sich tatsächlich ernsthaft Sorgen um ihre frühere Kollegin machen.


Die Story nimmt sich generell viel Zeit, um verschiedene Perspektiven zu beleuchten und argumentativ zu untermauern, weitab vom einfachen Schwarz/Weiß-Denken.


Anhand der Schulklasse erkennen wir den Kern des Problems von Sexismus bzw. des Patriarchats, auch hierfür reicht schon ein kurzes Zitat eines Schülers aus:


„Wenn ihr euch so aufreizend anzieht, seid ihr doch selbst schuld daran, dass ihr begrabscht werdet.“


Hier wird ein klassisches Verdrehen der Schuldfrage betrieben. Ein bestimmtes Outfit erotisch zu finden ist ja völlig legitim, aber eben noch lange kein Freifahrtschein, sich in das Sozialverhalten eines Neandertalers zu verwandeln! Miku fördert das noch zusätzlich. Ähnlich wie ein Idol ist sie bei allen beliebt und gerade für jüngere Mitschülerinnen ein echtes Vorbild. Wie das durchaus nach hinten losgehen kann und Social Media eben auch negative Aspekte besitzt, bekommen wir durch ihren Charakter mit Nachdruck aufgezeigt.


Nicht weniger interessant ist Hikaru, er könnte der erhoffte Halt, ein mögliches Licht am Ende des Tunnels für unsere Protagonistin sein, um den Weg ins Leben zurückzufinden. Weitere Details über seine Vergangenheit und Motive würden aber definitiv zu viele Spoiler enthalten. Lasst euch überraschen! ;)


Der Zeichenstil ist sehr niedlich gehalten. Einige würden jetzt vielleicht sagen, dass passe nicht zur ernsten Handlung. Ich denke aber, gerade wegen der angesprochenen Thematik handelt es sich um ein wirklich kluges und überaus gelungenes Stilmittel.


Zu guter Letzt bekommt man als Extra in der Erstauflage einen schön verarbeiteten Shojo-Stern inklusive Aufsteller. Es handelt sich außerdem um eine sehr kurze Reihe, die in nur zwei Bänden abgeschlossen ist. Mal schauen wie es zu Ende geht.


Fazit:


„Nie wieder Minirock“ ist eine reife und intensive Shojo-Geschichte, die ungeschönt Sexismus, Defizite in Gleichberechtigung sowie der Musikindustrie thematisiert und mich auf sehr vielen Ebenen emotional bewegt hat. Gerade deswegen möchte ich hier noch eine kurze Triggerwarnung aussprechen. Je nachdem was man vielleicht selbst schon erlebt hat, sollte man genau abwägen, ob man sich sich so einen heftigen Stoff zu Gemüte führen kann und möchte. Die Message ist jedenfalls wichtiger denn je und ich empfinde großen Respekt vor der Mangaka „Aoi Makino“. Besser und wirkungsvoller hätte man es nicht umsetzen können!


Hier geht es zur „Leseprobe von: Nie wieder Minirock“!


Quelle „altraverse


Produktdetails
Titel Nie wieder Minirock
Genres Drama
Autor Aoi Makino
Einband Taschenbuch
Altersempfehlung ab 15 Jahre
Seitenanzahl 176
Serie Nie wieder Minirock
Sprache Deutsch
ISBN 978-3-96358-483-1
Verlag altraverse
Kaufmöglichkeiten amazon / Thalia / altraverse


Wir möchten uns auf diesem Wege herzlich beim Verlag für das Rezensionsexemplar und Bildmaterial bedanken.

Über den Autor

Hallo mein Name ist Frank und ich bin ein humanoides Wesen vom Planeten Erde.

Neben Animes und Mangas, fühle ich mich dem Punkrock sehr verbunden und gehöre dieser Szene seit 2008 an, zocke leidenschaftlich gern, bin Fußballfan des FC Energie Cottbus, FC Sankt Pauli und vom FC Bayern München.

Filmreihen wie Star Wars, Herr der Ringe, Blade Runner und Indiana Jones nehmen einen besonderen Platz in meinem Herzen ein.

Allgemein bin ich ein begeisterter Cineast. Von 1920er Stummfilmen bis heutiger Streifen interessiert und fasziniert mich eine breite Palette an unterschiedlichsten Genres.


Politisch engagiere ich mich z.B. für die Linke, die Partei, Campact, Amnesty International oder Sea Shepherd. Ich bin Flexitarier.

Frank Profi

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